„Ich möchte der älteren Generation gern den Schmerz geben, den ich empfinde.“ meint Hannah. Sie ist 14 Jahre alt, trägt eine Zahnspange und ist eine fröhliche und zugleich tiefe Persönlichkeit. Wir proben an dem Stück ZUSAMMEN BAUEN, in dem 3 verschiedene Generationen zusammen auf der Bühne tanzen und ein Holz-Objekt permanent bewegen und verändern. Hannahs Äußerung lässt mich innehalten. ‚Warum?‘ frage ich sie. ‚Ich glaube, dass Erwachsene mehr Erfahrungen darin haben wie man mit Schmerz umgeht‘ entgegnet sie. Hannah beginnt in regelgeleiteten Improvisationen eine tänzerische, körperliche Umsetzung ihres Wunsches zu erarbeiten. Zizzi und Niklas sind 9 und 11 Jahre alt. Sie finden die ihnen zugeteilte Improvisationsaufgabe: ‚Linien im Raum tanzen‘ langweilig, sie wollen etwas eigenes ausprobieren und entwickeln. Sie besprechen sich und fangen an zu improvisieren. Nach einer Weile gehe ich zu ihnen hin und frage wozu sie sich entschlossen haben: ‚Sie tanzen ihr Leben von Geburt bis jetzt.‘ meinen sie. Mir verschlägt es die Sprache, ich nicke stumm und schaue ihnen zu wie sie mit ihren zarten Körpern den Raum kraftvoll erobern, Linien im Raum verfolgen, Haltestellen einrichten und sich mal leichtfüßig und mal schleppend bewegen.“ (Auszug aus Textentwurf ‚Lernen im Prozess‘.)
Wir leben in Zeiten, in denen der Zustand der Welt und der Erde dringend nach Lösungen verlangt. Wir leben in dem Gefühl, dass keine Zeit mehr zu verlieren sei, denn wenn wir nicht jetzt handeln, dann droht unser ‚Haus’ in einer Flut untergehen oder von heißer, brennender Luft konsumiert zu werden. Ein anderes Gefühl betrifft das Zusammenraufen und das Gemeinsam-Lösungen-Finden. Mit den zu erwartenden Klimaveränderungen werden gewaltige soziale Verwerfungen prognostiziert: Ressourcen, Kapital, Privilegien, wie auch Umweltschäden und -kosten sind schon lange nicht gerecht verteilt. Weder zwischen Kontinenten noch zwischen Nationen, Gesellschaftsschichten oder Generationen. (Auszug aus Projektkonzept von Martin Nachbar und Gabi dan Droste)
Vor dem Hintergrund eines apokalyptischen Grundrauschens, das für uns trotz allem mit dem Gefühl einhergeht, dass wir Menschen nur in unserer Vielfalt zu Kooperationen kommen können geht es uns aufgrund der vielen Konflikte, die neben einem bereichernden Austausch eben auch in der Vielfalt liegen, nicht immer nur um die eine neue Idee, die das Problem lösen wird und das Finden von immer neuen Lösungen auf alte Fragen. Mindestens genauso wichtig, wenn nicht wichtiger, ist in der Kooperation das gemeinsame Stellen, Formulieren und Umformulieren von Fragen und Antworten; das Teilen von Nicht-Wissen und von Unsicherheiten; das Hinhören, Ausprobieren und Scheitern. Zentral ist dann nicht mehr die Antwort auf das Drängende, sondern vielmehr die Resonanz, aus der gemeinsam Aussagen, aber auch Gesten und Handlungen formuliert und erneut befragt werden.
Beitrag «Trouble. Partizipative Recherchen und eine Tanzperformance mit Kindern, erwachsenen Profis und älteren Kolleginnen» In: Westphal, Kristin, Birgit Althans, Matthias Dreyer, Melanie Hinz (Hg.) (2022): Kids on Stage – Andere Spielweisen in der Performancekunst transgenerational. transkulturell. transdisziplinär.
Fotos: Dieter Hartwig ©